Allianz Arbeit + Behinderung (SH-NEWS 2021/053 vom 25.06.2021)
Allianz Arbeit + Behinderung (SH-NEWS 2021/053 vom 25.06.2021)
(LAG; pec) Am 22.06.2021 trafen sich sächsische Partner aus Politik und Wirtschaft, die gemeinsam die Allianz Arbeit + Behinderung bilden. In einer Videokonferenz wurden Informationen zur Lage von Menschen mit Behinderungen auf dem sächsischen Arbeitsmarkt geteilt und diskutiert. Es fanden auch Themen Platz, die nicht mittelbar von Corona-Effekten überlagert wurden. Die existierenden pandemischen Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderungen standen jedoch zunächst weit oben auf der Themenliste.
Der sächsische Arbeitsmarkt
Im Bericht der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Sachsen, wurden zunächst positiv bewertete Zahlen vorgestellt. So seien kurz vor Ausbruch der Pandemie im März 2020 etwa 7.800 Menschen mit Behinderungen ohne Arbeit gewesen. In den zurückliegenden 5 Jahren sank diese Zahl um 2.600. Nun hat sich die Zahl innerhalb von ca. 12 Monaten um 800 erhöht.
Der derzeitige Jahresschnitt zeigt 8.200 arbeitslose Menschen mit Behinderungen an.
Gut ein Viertel dieser Menschen hat keine Ausbildung absolviert. Fünf Prozent sind trotz akademischer Ausbildung nicht beschäftigt und knapp 70% wurden betrieblich ausgebildet.
Weiterhin konnte dargestellt werden, dass die zurückliegende gute Arbeitsmarktentwicklung auch Menschen mit Behinderungen zu Gute kam. Die Beschäftigtenzahl stieg 2019 um ca. 10.000 im Vergleich zum Jahr 2010 auf nun rund 46.400.
Ein bekannter Wermutstropfen: Nur etwa 4% der Betriebe in Sachsen, die per Gesetz verpflichtet sind, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten Menschen zu besetzen, erfüllen diese Vorgabe.
Stellt man den Anteil gut qualifizierter Menschen mit Behinderungen den unbesetzten Arbeitsplätzen gegenüber, tut sich ein großes Potential auf, auch diesen Menschen eine Perspektive zu eröffnen.
Dafür müssen die Ideen und Chancen von Inklusion in Unternehmen weiter beworben und bewährte Maßnahmen aktiv umgesetzt werden, so zum Beispiel der Abbau baulicher Barrieren.
Maßnahmen des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen (KSV)
Die Ausführungen des KSV standen gänzlich im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. So wurden Maßnahmen gefördert, die zum Schutz vor Infektionen schützen oder Schäden infolge der Pandemie ausgleichen sollen.
Eine Schutzmaßnahme wurde für Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und alternative Leistungsanbieter konzipiert: Für Luftreinigungsgeräte wurde eine finanzielle Unterstützung gewährt. Von etwa 65 potentiell Antragsberechtigten nahmen diese Möglichkeit bisher nur 25 Betriebe wahr. Diese Maßnahme soll noch bis 31.10.2021 laufen.
Für z. B. Inklusionsbetriebe, Sozialkaufhäuser oder Sozialunternehmen wurde aus Bundesmitteln der Corona Teilhabe Fonds (CTF) aufgestellt. Aus diesem Fonds wurden Billigkeitsleitungen gewährt, um pandemiebedingte Defizite auszugleichen. Vom Bund wurden dafür insgesamt 100 Mio. Euro bereitgestellt. Der KSV Sachsen als Bewilligungsstelle konnte den sächsischen Anteil von ca. 4,6 Mio. Euro hier nicht vollständig ausgeben.
Weitere Unterstützungsleistungen erhalten WfbM aus Mitteln der Ausgleichsabgabe, wenn sie pandemiebedingt Defizite erwirtschaften. Diese Leistungen unterliegen keiner Laufzeit. Von 5,5 Mio. Euro wurden bisher nur 1,4 Mio. Euro abgerufen.
Beim Thema besonderer Kündigungsschutz, welcher nach §§ 168 – 175 SGB IX für schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen gilt und durch die Integrationsämter überwacht wird, konnte nach Aussage des KSV bisher keine deutliche Kündigungswelle abgelesen werden. Deutliche zahlenmäßige Effekte werden aber wohl noch erwartet. Grund dafür ist vermutlich die Pandemie, die sich auch auf die globale und lokale wirtschaftliche Situation auswirkt. Einen weiteren Einfluss auf Kündigungen hätten außerdem Home-Office-Regelungen, die für behinderte Menschen und deren Arbeitgeber oft nicht umsetzbar wären.
Hier sollten die Bundesvorgaben der Corona-Arbeitsschutzverordnung besser und schneller fließen.
Budget für Ausbildung nach §61a SGB IX
Ergänzend zu den Ausführungen zum sächsischen Arbeitsmarkt mit Blick auf behinderte Menschen informierte die Regionaldirektion Sachsen der BA zum Budget für Ausbildung.
„Durch die Einführung des Budgets für Ausbildung sollen die Chancen für Menschen mit Behinderungen verbessert und die Auswahlmöglichkeiten erhöht werden, indem sie künftig auch eine berufliche Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absolvieren können. Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt sollen dadurch gesteigert werden.“
Das Budget sieht die Übernahme von 100% der Ausbildungsvergütung, erforderlichen Aufwendungen für Anleitung und Begleitung vor. Für den Fall, dass der schulische Teil der Ausbildung nicht an der eigentlich dafür vorgesehenen Schule durchgeführt werden kann, kann dieser an einer Reha-Einrichtung absolviert werden. Auch diese Kosten sollen mit dem Budget abgedeckt werden.
In Sachsen wurde dieses Budget noch nicht beantragt. Bundesweit wurden bisher nur zwölf Fälle bewilligt. Diese Fälle verteilen sich auf klassische Berufe wie Gärtnerinnen, Buchbinderinnen oder Tischlerinnen sowie Medientechnologinnen, Mediengestalterinnen oder Bürokauffrauen.
In der Diskussion innerhalb der Allianz herrschte weitgehende Einigkeit darüber, dass das Budget eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Berufsberatung ist.
Inwieweit sich dieses Mittel als Alternative im „Arbeitsbereich einer WfbM“ herausstellt, bleibt eine spannende Frage, auf der zukünftig der Blick gerichtet sein wird.
Berliner Erklärung
Die Berliner Erklärung wird von der Kernforderung „Berufliche Bildung von Menschen mit Behinderungen verbessern!“ überschrieben, welche die Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen im März 2021 nach einer Konferenz veröffentlichten.
Die weiteren Inhalte erläuterte die Vertretung des Sächsischen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen. Dabei wurde auch das Problem benannt, dass junge Menschen mit Behinderungen oft in bestimmte Berufe gedrängt werden und deren wirklichen Potentiale nicht entdeckt werden.
Die Vertretung der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtsverbände in Sachsen brachte in diesem Zusammenhang auch zu Protokoll, dass Hürden in Handwerksbetrieben es erschweren, eine betriebliche Ausbildung für Menschen mit Behinderungen abzubilden.
Auch hier könnte das Budget für Ausbildung noch eine wichtige Rolle spielen. Aber auch das Augenmerk auf den Abbau von Barrieren sollte nicht vergessen werden. Dafür ist das bestehende Budget nämlich nicht ausreichend.
Evaluation
Die nächsten gut zwei Jahre werden mit dem Einsatz von Arbeitsgruppen zur Evaluation und Fortschreibung des Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Sachsen reichlich Raum bieten, die angerissenen Punkte weiter kritisch zu bewerten und im Sinne der Menschen mit Behinderungen praktikable Ideen zu entwickeln. Neben dem Aktionsplan steht auch die Neuausrichtung des Dienstleistungsnetzwerkes „support“ auf der Agenda der Allianz Arbeit + Behinderung.
Die LAG SH Sachsen e. V. erwartet eine spannende und interessante Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit. Als Akteur der maßgeblichen Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen bringt die LAG SH Sachsen ihr Netzwerk gern zur inklusiven Entwicklung ein.
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Bild zur Meldung: Allianz Arbeit + Behinderung (SH-NEWS 2021/053 vom 25.06.2021)